Schweres Schädelhirntrauma mit ausgeprägten Sprachstörungen

Einleitung

Wenn nach einem Autounfall nichts mehr ist, wie es einmal war…

Katja Hoffmann, eine gelernte Industriekauffrau, erzählt:

Mein Schwager holte mich aus der Reha ab. Es war eine schweigsame Fahrt, weil ich ja wusste, dass es mit meinem Sprechen noch gehörig haperte und auch weil ich mich so sehr dafür schämte.

Als ich aus dem Auto stieg, kam mir gleich meine Schwester entgegen. Von Gefühlen überwältigt, sprudelte ich los:  „Hier sind wir also groß geworden. Und hier wohnst du immer noch? Du, dein Mann und deine Tochter? Ich bin so froh…“.

Mitten im Satz stockte ich dann, weil ich merkte, dass meinen heraus gestammelten Wortbrei niemand verstehen könnte. Meine Schwester nahm mich dann wortlos in die Arme, während mein Schwager kopfschüttelnd die Koffer ins Haus trug. Klar, so kannte er mich nicht. Er hatte mich immer nur als selbstbewusste und starke Frau erlebt. Eine, die immer mit beiden Beinen im Leben gestanden war. Eine, die im Ruf stand, dass sie es war, die in der Firma den Kollegen deutlich sagte und zeigte, wo es lang ging.

Das war nun Vergangenheit. Während monatelangem Krankenaufenthalt und Reha hatte ich erst wieder die einfachsten Dinge lernen müssen. Vor allem aber mit dem Sprechen hakte es.

Manche Dinge brauchen eben etwas mehr Zeit,  so haben mich meine Therapeuten in der Reha  zu trösten versucht. Trotzdem. Ich hatte nun das Gefühl nicht mehr zum richtigen Leben dazuzugehören.

Schon morgens musste ich mit mir kämpfen überhaupt aufzustehen. Tagsüber ging ich, so gut ich nur konnte, der Familie meiner Schwester aus dem Weg. Am liebsten vergrub ich mich ganz allein in meinem Zimmer. Träumte von früher.

Doch meine Schwester wollte das ändern. In einem langen Gespräch mit der Berufsgenossenschaft konnte sie erreichen, dass nun regelmäßig eine Psychologin ins Haus kommen sollte. Eine Spezialistin, wie sie mir erklärte, die Menschen wie mich wieder zurück ins Leben führt.

Zuerst habe ich das strikt abgelehnt. Habe mich fürchterlich aufgeregt deswegen. Weil sie es einfach über meinen Kopf hinweg entschieden hatte. So wie sie schon während unserer gemeinsam erlebten Jugend sich gern in mein Leben eingemischt hatte. Aber dann war ich doch gespannt, ob es jemand gab, der mir wirklich weiterhelfen konnte.

Der therapeutische Ansatz

Die Psychologin Anja Sobbe-Dippold erzählt:

  1. Das aufeinander Zugehen

    Frau Hoffmann saß alleine im Wohnzimmer. Wie ich von ihrer Schwester schon an der Haustüre erfahren hatte, war ich ihr erster Besuch seit ihrer Ankunft. Außerdem wusste ich natürlich von ihren großen Sprachproblemen. Deshalb ging ich auf ihre mehr geröchelte als gesprochene Entschuldigung gar nicht groß ein, sondern erzählte frei weg von den Neuigkeiten des Tages. Frau Hoffmann brauchte etwas Zeit sich mit in das Gespräch einzufinden, doch dann bereitete es ihr sichtlich Spaß. So erzählte sie mir sogar von manchen Zwisten mit ihrer Schwester, von den langen Tagen wenn sie sich alleine auf ihrem Zimmer vergrub und, dass sie weder an Büchern noch an TV Sendungen Freude finde. Als ich mich dann nach zwei Stunden verabschiedete, erschrak Frau Hoffmann sichtlich. Dass die Zeit so schnell vergangen war, konnte sie gar nicht glauben. Gerne würde sie diese Gespräche mit mir in den nächsten Wochen fortsetzen.
  1. Das Zusammenleben verbessern

    Frau Hoffmann hatte sich schnell an meine regelmäßigen Besuche gewöhnt. Manchmal erwartete sie mich bereits ungeduldig. Als ich ihr eines Tages vorschlug auch ihre Schwester mit ein zu beziehen, hatte sie zuerst einige Vorbehalte dagegen. Mit verschränkten Armen saßen die beiden schließlich nebeneinander auf der Couch und blickten jeweils in verschiedene Richtungen. Freimütig erzählte die Schwester von Frau Hoffmann, wie sie das Zusammenleben beurteilte. „Ich tue wirklich alles für sie: ich koche, putze, wasche und räume sogar ihr Zimmer auf.  Aber immer ist sie schlecht gelaunt und fühlt sich auch noch bevormundet. Irgendetwas läuft da nicht gut zwischen uns beiden.“Genau deswegen, so erklärte ich den Schwestern, wollte ich, dass wir uns mal gemeinsam zusammensetzen. Frau Hoffmann ist eine erwachsene Frau und vielleicht will sie gar nicht, dass sie so bemuttert wird und, dass sie sogar ihr Zimmer aufräumen. Außerdem hat sie mir gesagt, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten sich auch gerne ihren Teil zur Hausgemeinschaft beitragen möchte. Sie könnte es doch einmal versuchen. Vielleicht ab und zu für die Familie zu kochen oder der Tochter bei den Hausaufgaben zu helfen. Wäre das nicht ein Ansatz, der allen Beteiligten gut täte?
  1. Der Alltag neu gestalten

    An einem Nachmittag im April schien die Sonne so warm, dass Frau Hoffmann mich zu einem Kaffee auf der Terrasse einlud. Sie erzählte mir dabei, wie gern sie früher in ein Cafe in die Stadt gegangen war, um sich dort mit ihren Freundinnen zu treffen und über Gott und die Welt zu plaudern. Auch um einmal über Männer zu lästern. Frau Hoffmann sah mich schmunzelnd an. Natürlich macht hier meine Schwester alles für mich. Wir frühstücken immer morgens zusammen, essen gemeinsam zu Mittag und schauen am Abend ab und an auch gemeinsam fern. Aber das kann doch nicht alles sein?Ich habe Frau Hoffmann dann erklärt, dass seit ihrem Unfall viel Zeit vergangen ist und das Leben inzwischen weiter gegangen ist. Und dass wir nun daran gehen könnten, dass sie trotz ihrer Einschränkungen wieder am Leben draußen teilnimmt. Natürlich braucht es etwas Übung – das Fahren mit dem Bus oder mit der Straßenbahn. Aber es wäre doch eine Chance. Und sicher gebe es die eine oder andere frühere Bekanntschaft, die sich gerne mit ihr einmal wieder austauschen würde. Aber dafür müsse sie etwas tun! „Wollen wir mal gemeinsam durchgehen, wen sie anrufen könnten?“
  1. Selbstmanagement

    Als Industriekauffrau hatte Frau Hoffmann natürlich viel am Computer gearbeitet. Seit dem  Unfall war nun alles anders. Während ihrer Anschluss-Heilbehandlung konnte sie sich nur schwer wieder mit dem Computer anfreunden, was sie selbst sehr erschrocken hatte. Darum war sie anfangs etwas zögerlich, als ich mit ihr vor ihrem Laptop saß. Je mehr sich jedoch ihre Finger an die alten Bewegungsabläufe erinnerten und je mehr dabei Erlebnisse von früher hochkamen, desto klarer wurde ihr, dass noch so vieles da war und nur wieder geduldig ausgegraben werden musste. Das Programm, das ich  ihr mitgebracht hatte, war ein Neurologisches Übungs- und Trainingsprogramm und ich war selbst überrascht, wie schnell Frau Hoffmann sich in die Materie eingearbeitet hatte. Ja, sie war richtig glücklich, als sie selbst feststellte, wie schnell sie Fortschritte machte. So gewöhnte sie sich wieder an ihren geliebten Laptop. Ob Kognitives Training oder Informationen aus dem Internet. Jetzt konnte sie wieder am Weltgeschehen teilhaben. Jetzt bekamen ihre Tage wieder Sinn. Ich sah es an dem Leuchten in ihren Augen.

Zurück im Leben

Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich mit Frau Hoffmann vor dem Spiegel in einem Modehaus stand. „Ihr neues Kleid passt super zu ihrer Frisur“, sagte ich zu ihr.
„Ja!“, erwiderte sie, „es hat sich so vieles in meinem Leben verändert. Und was das Wichtigste ist…“ Sie strahlte mich dabei an. „Ich habe meinen Frieden wieder gefunden. Auch mit dem Autofahrer, der den Unfall verursacht hatte. Und selbst mein Hinken und das immer noch mühsame Sprechen machen mir nicht mehr so viel aus.“
Später saßen wir zusammen im Cafe und sie verriet mir, dass sie Ende der Woche ihr erstes Bewerbungsgespräch hätte. „Und glauben Sie nicht“, sagte sie zu mir, „dass ich mich davor fürchte. Ich werde klarmachen, dass auch eine behinderte Frau Leistung erbringen kann. Dank Ihrer Hilfe fühle ich mich so stark und lebendig. Fast, wie vor dem Unfall.“ Sie zwinkerte mir dabei mit dem rechten Augen zu.„Ich bin Ihnen so dankbar.“, ergänzte sie.

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